Mutig, ehrlich, neugierig: Grundschulkinder im Projekt „Hospiz macht Schule“
„Wir haben gelernt, dass man vor dem Tod keine Angst haben muss. Ein bisschen Angst ist normal, aber man darf darüber reden.“ Mit diesen Worten brachte eine Schülerin am Ende der Woche auf den Punkt, was die Projektwoche „Hospiz macht Schule“ der Ökumenischen Hospizinitiative an der Schubartschule Ludwigsburg-Eglosheim bewirken möchte: den Kindern in einem geschützten Rahmen zu ermöglichen, über Krankheit, Sterben, Tod und Trauer zu sprechen; in ihrer eigenen Sprache und in ihrem eigenen Tempo.
Ein geschützter Rahmen für große Fragen und kleine Momente
Gleich zu Beginn hieß es: Tische zur Seite, Platz schaffen für einen großen Stuhlkreis. „Denn jede und jeder soll gesehen und gehört werden“, so die Haltung des vierköpfigen Teams aus ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie der Koordinatoren Andrea Wach und Michael Friedmann vom Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst.
Fünf rote „Schatzkisten“, eine für jeden Tag, begleiteten die Klasse durch die Woche und durften jeden Morgen voller Spannung geöffnet werden. Darin fanden sich Symbole, Bilderbücher, Geschichten und Materialien, die Gespräche anregten – vom „Tränenherz“ über bunte Fingerfarben bis hin zum Stethoskop. Die Kinder brachten dabei ihre eigenen Gedanken ein, etwa die leise Feststellung: „Irgendwie ist es ja schon traurig: An jedem Tag, an dem wir älter werden, sind wir näher am Tod.“
Spürbar war, wie sehr die Kinder davon profitieren, in einem geschützten Rahmen zu sprechen. Manche berichteten von verstorbenen Großeltern oder Haustieren, andere begegneten dem Thema Tod zum allerersten Mal. Spannend war auch eine Übung, bei der die Kinder in sich hineinhörten und die Gefühle, die sie dabei wahrnahmen, malten. Ein Kind schaute das farbenfrohe Bild seines Nachbarn an und sagte voller Staunen: ‚Wow, wie kannst du so etwas sehen?‘ und zeigte damit, wie einzigartig jede innere Gefühlswelt ist.“ Und dann war da noch die ehrliche Verwunderung: „Ich dachte immer, man ist sofort ein Skelett, wenn man stirbt.“
Ein Arzt zu Besuch – Fragen an die Medizin
Ein besonderer Höhepunkt der Woche war der Besuch von Dr. Matthias Ulmer von der Palliativabteilung des Klinikums Ludwigsburg. Mit viel Ruhe und in einfachen, kindgerechten Worten hat er die zahlreichen Fragen der Kinder beantwortet. Und die Viertklässlerinnen und Viertklässler wollten es ganz genau wissen: „Was ist eigentlich Krebs und warum haben manche Menschen keine Haare mehr, wenn sie Krebs haben?“ „Was ist Herzrasen?“ und „Warum wird man überhaupt krank?“
Geduldig erklärte Dr. Ulmer, was im Körper passiert, wenn Zellen „aus der Reihe tanzen“, wieso Medikamente Haare ausfallen lassen können und dass Herzrasen manchmal harmlos, manchmal aber auch ein Warnsignal ist. Die Kinder hörten konzentriert zu, und es war spürbar, wie entlastend es sein kann, verständliche Antworten zu bekommen. Für diesen besonderen Einsatz und die sensible Begegnung auf Augenhöhe gilt Dr. Matthias Ulmer ein herzlicher Dank.
Ein Friedhofsbesuch, der Angst nimmt
Zum Programm der Woche gehörte auch ein Besuch auf dem Eglosheimer Friedhof. Für einige Kinder war es der erste Besuch an einem solchen Ort. „Ich dachte immer, es wäre dort gruselig. Dabei fand ich ihn eigentlich ganz spannend“, erzählt ein Mädchen nach dem Rundgang. Manche Kinder führten ihre Klasse zu den Gräbern von Familienangehörigen und erzählten von ihrer Geschichte.
Große und kleine Abschiede – Gestärkt aus der Woche
Beim Abschlussfest zeigten die Kinder ihren Familien, was sie in den fünf Tagen erfahren, besprochen und gestaltet hatten. Viele gingen sichtbar gestärkt aus der Woche heraus und mit mehr Worten für ihre Gefühle und dem Wissen, dass Trauer, Fragen und auch ein bisschen Angst ihren Platz haben dürfen.
Auch für unsere Ehrenamtlichen war die Woche besonders. Die Kinder erweisen sich während der Projektwoche als große Lehrmeisterinnen und Lehrmeister. Sie zeigen auf beeindruckende Weise, wie selbstverständlich es sein kann, über Leben und Sterben zu sprechen, wie bunt ihre Vorstellungen vom Tod sind nicht nur schwarz, sondern voller Bilder, Farben und Hoffnung und wie sehr es sie stärkt, wenn Erwachsene ehrlich sind und Fragen nicht ausweichen.
Die Ökumenische Hospizinitiative im Landkreis Ludwigsburg e.V. dankt der Schubartschule und allen Beteiligten für das Vertrauen und bietet „Hospiz macht Schule“ auch weiteren Grundschulen im Landkreis an. Interessierte Schulen können sich an Andrea Wach wenden.
Text und Bild: Alina Kleinschwärzer